Vor nunmehr fünf Jahren wurden – nach langem Ringen der Akteure rund um die Initiative Kerberos – 22 nachkriegs- und postmoderne U-Bahnhöfe in Berlin in die Denkmalliste aufgenommen. Allerdings zunächst nur West-Berliner Bauwerke. Diese Woche wurden endlich neun der 1973, 1988 und 1989 eröffneten Ost-Berliner Stationen der Linie U5, die die Stadtmitte mit Hellersdorf verbinden, geschützt.
Die neuen Denkmäler heißen Tierpark, Biesdorf-Süd, Elsterwerdaer Platz, Wuhletal, Kaulsdorf-Nord, Cottbusser Platz, Hellersdorf, Louis-Lewin-Straße und Hönow. Kienberg – Gärten der Welt wurde bereits stark überformt und erhält keinen Schutz mehr.
Pfeile, starke Farben und Kontraste zeichnen einige der zugleich oftmals unscheinbar wirkenden oberirdischen U-Bahnhöfe aus. Highlight ist sicherlich die Station Tierpark. Sie ist nicht nur die einzige unterirdische U-Bahnhaltestelle der Ostmoderne in Berlin, sie verfügt auch über eine herausstechende Gestaltung. Aufwändige Eingangspavillons sowie Kunst am Bau verweisen auf die besondere Funktion als Zubringer zum Tierpark: in die Wand eingebrachte Reliefs von Ulrich Jörke aus dem Jahr 1986 sowie das oben im Ausschnitt gezeigte große Wandmosaik von Dagmar Glaser-Lauermann von 1973.
Die Konstruktion des Rohbaukörpers aus Tunnel und Bahnhof wurde vom VEB Kombinat Tiefbau Berlin, namentlich Jürgen Feuerböther und Kurt Besser, geplant,[1] die künstlerische Gesamtleitung hatte Werner Laux (1902 – 1975).[2] Er war von 1952 bis 1956 Direktor der Kunsthochschule Weißensee, von 1960 bis 1965 war er Professor an der Hochschule für Industrielle Formgestaltung Bad Giebichenstein, ab 1968 leitete er das Zentralinstitut für Gestaltung. Als Chefarchitekten Ost-Berlins waren Joachim Näther, Heinz Graffunder und Roland Korn beteiligt.
Von künstlerischer Bedeutung ist auch die zeittypisch reduzierte Gestaltung der Bahnsteighalle, die allein auf der Kombination zweier Fliesenfarben und unterschiedlicher Verlegetechniken beruht. Durch seine klare Formensprache kann Tierpark der Ostmoderne zugerechnet werden, nimmt aber ebenso Bezug zur Gestaltung des ersten Bauabschnitts dieser Linie, deren Architektur in den 1920er Jahren von Alfred Grenander entworfen wurde. Außergewöhnlich sind die Deckenhöhe und das hochgelagerte, mit silber-eloxierten Aluminiumlamellen verblendete Bahnhofsaufsichtsgebäude, das zwischen den beiden Stützenreihen zu schweben scheint. Der U-Bahnhof zeigt gestalterische Verwandtschaft mit gleichzeitig entstandenen, internationalen U-Bahnhöfen. So weisen etwa die 1972 in Nürnberg eröffneten U-Bahnhöfe eine ähnliche Farb- und Materialkomposition auf, Keramik und Linien waren das am weitesten verbreitete Konzept zur Gestaltung von U-Bahnhöfen in den 1960er und frühen 1970er Jahren.
Landeskonservator Dr. Christoph Rauhut begründet die Unterschutzstellung in der Pressemitteilung: „Die Erweiterung der U5 zwischen den Bahnhöfen Tierpark und Hönow ist von einzigartigem Zeugniswert für die zur Entstehungszeit geteilte Stadt. Ihre Bauweise, ihre Gestaltung und die Umsetzung mit einfachen Mitteln stehen in einem deutlichen Kontrast zu den opulenten U-Bahnhöfen, die zeitgleich in West-Berlin von Rainer Rümmler entworfen wurden. In ihrer Gestaltung und Ausführung dokumentieren die Bahnhöfe in Ost und West anschaulich die politischen und wirtschaftlichen Gegensätze, die Berlin über Jahrzehnte geprägt haben.“
Wie die Fotos zeigen gefährdet allerdings fehlende Pflege zunehmend die Substanz dieses ostmodernen Erbes. Es besteht Handlungsbedarf. Der Denkmalschutz lässt hoffen.
[1] Vgl. Feuerböther, Jürgen / Besser, Kurt: U-Bahn Berlin-Friedrichsfelde – Tierpark, in: Bauplanung und Bautechnik, 24. Jahrgang, Heft 6 (Juni 1970), S. 274–277, hier: S. 274.
[2] Bolduan, Dieter: U-Bahn fährt jetzt bis zum Bärenschaufenster, in: Neues Deutschland, 26. Juni 1973, S. 8.